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Neue Portraits

2005‒2008

Wenn ich Menschen portraitiere, entsteht oft ein sehr fragiler Zustand, bei dem es scheint, als würde sich etwas in meinem Gegenüber verändern. Für einen kurzen Moment gibt es die Möglichkeit der Einheit von Innerem und Äußerem. Dieser Moment findet sich zwischen Spannung und Loslassen, zwischen Kontrolle und Selbstaufgabe; er ist flüchtig und die Fotografie die einzige Erinnerung daran. Wahrscheinlich ist dieser Moment aber weniger in der Person, als in dem Bild von ihr begründet. Es gibt etwas, das nur im Portraitprozess entstehen kann. Ich glaube an Bilder, weil ich von ihnen weiß, dass sie lügen, dass sie etwas anderes erzählen, als das, was vorhanden war. Augen zeugen schaft als Mittel zur Fiktionalisierung, zur Neugestaltung, zur Transformation. Material, das aus der Wirklichkeit stammt, mit ihr aber nichts als den Ursprung, das Dagewesensein gemein hat. Alles andere ist Interpretation. Es gibt ein Außen und ein Innen, an der Grenze dazwischen ist das Auge, ist der Blick, ist das Augenlicht, das die Außenwelt formt und interpretiert. Ich kann nicht in das Innere der Menschen sehen, es ist zu vielschichtig, um es abzubilden; aber ich kann mit Hilfe des Blickes, des Gesichts­ausdruckes, der Haltung und des Lichtes eine Intensität im Bild erzeugen. Eine Intensität, die in Momenten des Übergangs entsteht: wenn der Blick weder den Fotografen, noch den Betrachter meint und wenn er sich aber noch nicht nach innen zurückzieht. Momente, die in unterschiedlichen Abstufungen mehr über das Selbstbewusstwerden als über die Selbstdarstellung erzählen.

Göran Gnaudschun, Potsdam, 30.01.08